Die Radio und Presseberichte 2004 in der Übersicht: (Bitte anklicken!)

2003

2005

 
Hilfe für Betroffene
„Mach mich weg“ und „Ich liebe dich“
Ermittlungen wieder aufgenommen
Zum Thüringer Datenschutzbericht: Langsames Erwachen
Zu viele Fragen
„Juristisch kann ich nichts unternehmen“
Streit um Akteneinsicht

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Hilfe für Betroffene

Laut einer Fernseh-Dokumentation lassen sich in Deutschland rund 25 000
Todesfälle pro Jahr auf Behandlungsfehler zurückführen, „damit sterben
mehr Menschen durch Ärztepfusch als im Straßenverkehr“, so das Fazit.
Das „Private Netzwerk Medizingeschädigter“ will Betroffenen beweisen,
dass sie kein Einzelschicksal haben, sie zusammenbringen und
Informationen austauschen lassen. Dazu werden kostenlose Unterseiten
angeboten. Mehr als 56 600 Klicks zeigen das große Interesse allein an
der Website von Elmar Kordes – nicht nur Patienten und Angehörige,
sondern auch Ärzte, Krankenschwestern und andere Interessierte nutzen
Forum und Gästebuch. Einige Auszüge: „Damit habt Ihr einen menschlichen
Meilenstein gelegt ... mir laufen die Tränen ... ich bin total geschockt
... ich bewundere ihre Kraft, ihren Mut und ihre Stärke ... ihr habt mir
Mut gemacht ... ich werde kämpfen ... wunderbar dass es so eine Seite
gibt“.
Über das Internet ist auch das Buch „Anke und Mike“ erhältlich.
www.geoffrey-mike.de
www.behandlungsfehler-arztpfusch.de

Quelle: Südthüringer Zeitung, stz, vom 19.11.2004 zum Artikel:
„Mach mich Weg“ und „Ich liebe Dich“ vom gleichen Tag




Quelle: Südthüringer Zeitung, STZ, vom 19.11. 2004, Web: www.stz-online.de

„Mach mich weg“ und „Ich liebe dich“


Ein Oberhofer kämpft nach dem Tod seiner Frau um die Wahrheit / Netzwerk für Geschädigte


VON SUSANNE SOBKO
OBERHOF – Anja Kordes hätte heute ihren 41. Geburtstag feiern können. Hätte. Wenn sie nicht vor sieben Jahren im Krankenhaus falsch behandelt worden wäre - davon ist ihr Mann überzeugt, und das bestätigen Gutachter.

Für Elmar Kordes ist es Liebe auf den ersten Blick. „Die heirate ich“, sagt er zu seinem Kumpel, als er 1995 in einem Oberhofer Hotel der Hausdame Anja gegenübersteht. Weil er bekannt dafür ist, das zu erreichen, was er sich in den Kopf setzt, wird ein halbes Jahr später Hochzeit gefeiert, der größte Wunsch nach einem Kind erfüllt sich schnell. Alles verläuft nach Plan, bis eine Toxoplasmose-Infektion festgestellt wird. Kurz darauf sind beim Ultraschall keine Herztöne zu hören, im Klinikum Suhl machen die beiden erste schlechte Erfahrungen. Mit ihrem toten Wunschkind fühlen sie sich völlig allein gelassen, die Geburt erfolgt auf der Toilette, eine Ärztin wirft der Mutter vor, sie solle nicht schreien, das Kind wird im Plastikeimer vorbeigetragen.

Einen Tag später bekommt Anja Kordes starke Schmerzen, bei einer Magen-Spiegelung findet sich altes Blut, sie kippt aus dem Rollstuhl – der Tipp bei der Entlassung lautet lediglich, dass beide einen Psychologen aufsuchen sollten. Zuhause sackt die Oberhoferin zusammen und wiederholt: „Ich seh’ dich nicht, aber ich höre dich.“ Mit Verdacht auf Lungenembolie wird sie in die Notaufnahme des Klinikums geliefert.

Nach Untersuchungen verkündet ein Arzt den Befund „organisch gesund“ und den Verdacht auf eine Wochenbettpsychose – obwohl ihre Entzündungswerte um das Hundertfache erhöht sind und halbseitige Lähmungen sowie Sehstörungen auftreten. Nachts veranlasst der Chefarzt Prof. Ulrich Retzke die Verlegung ins Fachkrankenhaus Hildburghausen. Elmar Kordes findet seine Frau am nächsten Morgen in der geschlossenen Psychiatrie im Gitterbett wieder.

Weil man hier doch eine organische Ursache vermutet, wird sie drei Tage später ins Kreiskrankenhaus gebracht. Bei einer Notoperation kommt den Ärzten eine „übelriechende klebrig-grüne Masse“ aus dem Bauch entgegen – ein Arterien-Verschluss hat große Teile des Dünndarms verfaulen lassen. Anja Kordes wird nach Gera verlegt und liegt sieben Wochen im künstlichen Koma, mehrere Nach-Operationen sind nötig. Ihr Mann fährt täglich zu ihr. Obwohl er sich als „nicht so gläubiger Mensch“ bezeichnet, hält er jedes Mal an der Autobahn-Kirche in Gelmeroda. Er weiß, dass seine Frau ihn trotz Koma bemerkt. In Gera, ebenso wie danach in Stadtroda und Meiningen, erfährt er, dass es in Krankenhäusern „auch wunderbare Menschen gibt“, von Ärzten und Pflegern fühlt er sich „fast schon familiär“ behandelt.

Nach dem Erwachen hat seine Frau alle Haare verloren, ihre Muskulatur ist zurückgebildet und das Laufen muss sie neu lernen. Eine Reha-Kur in Bad Liebenstein schließt sich an, Anja Kordes ist erwerbsunfähig, sie leidet an Bewegungsstörungen, Kurzdarm-Syndrom, Tinnitus, Rheuma, Eierstock-Zysten und Schmerzen, fast täglich ist ein Arztbesuch nötig. Ihr Mann begleitet sie ständig, in 26 Wochen ist er etwa 60 000 Kilometer unterwegs, die Hoffnung lässt ihn durchhalten. Abends schreibt er sich „den Kopf sauber“, seine Frau wünscht sich, dass daraus ein Buch entsteht. Es erscheint im Eigenverlag unter den Synonymen Anke und Mike, die Resonanz ist beachtlich.

Im Sommer 2000 bestätigt die Schlichtungsstelle Hannover den Behandlungsfehler, die Patientin erhält Schmerzensgeld und Verdienstausfall, doch das Geld nutzt ihr nicht viel: „Mach mich weg“, sagt sie vor Schmerzen. Sie kommt auf die Warteliste für eine Dünndarm-Transplantation, wird künstlich ernährt und am 10. Oktober um 10.37 Uhr erscheint die Nulllinie. „Ich liebe dich“ lauten die letzten Worte an ihren Mann. Vorher hat sie ihm den Auftrag erteilt, „die nötigen Schritte einzuleiten“ – er stellt Strafanzeige wegen fahrlässiger Tötung. Erst im Februar 2003 kommt es zum Verfahren. Gutachter bestätigen, dass Anja Kordes unter anderen Umständen überlebt hätte, Privatgutachten des Professors sagen das Gegenteil. Das Verfahren gegen den Chefarzt wird wegen geringer Schuld eingestellt. „Also keine Verurteilung, aber auch kein Freispruch“, kommentiert der Ehemann. Umso mehr ärgert ihn, dass Retzke über Medienhetzkampagnen schimpft, statt ein Wort des Bedauerns zu äußern. „Anja als gläubige Frau hat immer darauf gewartet, dass jemand auf uns zukommt“, sagt ihr Mann. Für ihn ist „diese Arroganz noch mal ein Schlag ins Gesicht“.

Er weiß mittlerweile, dass es viele ähnliche Fälle gibt: Mit dem Vater eines schwerbehinderten Kindes nach Geburtsfehlern betreibt er das „Private Netzwerk Medizingeschädigter“. Nicht aus Ärzte-Hass, wie er betont, sondern um Betroffenen zu helfen – er saß sogar für die Sendung WiSo am Experten-Telefon.

Der 44-Jährige wirkt tatsächlich nicht wie ein hasserfüllter Rächer – ruhig und sachlich erzählt er seine Geschichte, sagt nichts ohne Beweis und wiederholt, dass es auch „klasse Menschen“ im Gesundheitswesen gibt. Wie er die Trauer bewältigt? „Sie ist tot, sie kommt nicht wieder“, hat er sich nach der Beerdigung manchmal tausendmal am Tag gesagt, „sonst wäre ich durchgedreht“. Weil es auf die Frage nach dem Warum sowieso keine Antwort gibt. „Ich habe verarbeitet statt verdrängt“. Wie es seine Frau gewünscht hat, lebt er wieder in einer festen Beziehung, das Leben geht weiter. Wobei für ihn der Fall noch nicht abgeschlossen ist, denn im Rahmen des Strafprozesses wurde eine Urkundenfälschung aufgedeckt: Eine Ärztin aus dem Klinikum Suhl hat Protokolle verändert. Dadurch erscheint die Aussage des Chefarztes glaubwürdiger, er habe bei der Verlegung von Anja Kordes auf ihren lebensgefährlichen Zustand hingewiesen. Strafrechtlich kann dagegen wegen Verjährung nicht mehr vorgegangen werden, und die Landes-Ärztekammer erklärt sich als nicht zuständig, weil die Ärztin in ein anderes Bundesland verzogen ist – Elmar Kordes hofft weiterhin auf berufsrechtliche Konsequenzen. Sogar die Thüringer Datenschützer sind involviert, da sie keinen Einblick in Notarzt-Protokolle des Suhler Archivs bekommen, das Landesverwaltungsamt prüft unterschiedliche Aussagen, bei der Hamburger Staatsanwaltschaft läuft ein Verfahren wegen falscher eidesstattlicher Versicherung des Chefarztes: „Das stinkt alles zum Himmel“, sagt der 44-Jährige.

Einmal im Jahr erinnert er mit Zeitungs-Anzeigen an das Schicksal seiner Frau: Zum Todestag am 10. Oktober, verbunden mit Zitaten wie „Ich kämpfe weiter“ oder „Ich will die Wahrheit“. Als Mahnung für Mediziner. „Sie sollen sich erinnern, warum sie Arzt geworden sind.“

Dass er so kämpferisch ist, hat er seiner Frau zu verdanken, sagt der Oberhofer – trotz der schrecklichen Erlebnisse erinnert er sich gern an die Zeit mit ihr zurück. Immer verbunden mit dem Gedanken an sein Ziel: „Ich will am Grab sagen können, ich habe alles versucht.“ Und weil er bekannt dafür ist, das zu erreichen, was er sich in den Kopf setzt, betont Elmar Kordes: „Da komme ich auch hin.“





Freies Wort vom 26. Juni 2004

Rätselhafter Tod des Sohnes im Neuhäuser Krankenhaus ließ Eltern nicht ruhen
Ermittlungen wieder aufgenommen

VON GEORG SCHMIDT
Heute vor zwei Jahren starb der 19-jährige Christian Finn (Bild) aus Oberweißbach im Neuhäuser Krankenhaus. Auf dem Totenschein war als Ursache "unnatürlicher Tod durch Herzstillstand" vermerkt. Doch bis heute sind die Umstände des mysteriösen Todes nicht geklärt, die Staatsanwaltschaft ermittelt immer noch, mehrere Gutachten liegen vor, ein weiteres ist in Auftrag gegeben.

NEUHAUS / OBERWEISSBACH - Die Eltern Heike und Rainer Finn haben noch keine erschöpfenden Antworten auf die Fragen nach den Ursachen und nach dem Geschehen in der Todesnacht. Am Morgen des 24. Juni 2002 fand man ihren Jungen in seinem Krankenbett leblos auf; die Reanimation half nichts mehr. Am Abend zuvor war er auf der B 281 zwischen Neuhaus und Steinheid mit seinem Wagen verunglückt. Er hatte sich eine Unterarmfraktur zugezogen und wurde noch in der gleichen Nacht in Neuhaus operiert. Wenige Stunden später war er tot. Seine Eltern wissen heute: "Für die Armbruchoperation wurde auf ein standardisiertes EKG verzichtet, die dokumentierten Prellmarken und Beschwerden im Brustbereich wurden von den Ärzten ignoriert." Heike und Rainer Finn glauben, dass ihr Sohn seine letzte Nacht in dem Patientenzimmer ohne gebotene medizinische Überwachung verbrachte. Sie wollen Aufklärung, stoßen aber auf eine Mauer des Schweigens. Die Finns erstatten unmittelbar nach dem rätselhaften Tod ihres Jungen Anzeige gegen Unbekannt wegen fahrlässiger Tötung. Erst sechs Wochen danach beschlagnahmt die Kripo die Krankenunterlagen, erst im September wird das Krankenhauspersonal vernommen. Die Gerichtsmedizin findet nach der Obduktion keine eindeutige Todesursache, so das Gutachten. Die Staatsantwaltschaft ermittelt. Bei allem haben die Eltern den Eindruck, Nachlässigkeiten oder ärztliche Fehler sollen verschleiert werden. Sie legen Beschwerde bei der Landesärztekammer ein. Die Staatsanwaltschaft beantragt Anfang 2003 ein weiteres ärztliches Gutachten. Nach den Worten von Rainer Finn bestätigt dieses, dass sein Sohn noch leben würde, wenn im Krankenhaus sorgfältig gearbeitet und ihm die erforderliche Hilfe nicht versagt worden wäre. Das Notarzt-EKG vom Unfallort werde zwar als technisch unzulänglich angesehen, dennoch zeige es deutlich Herzverletzungen. Die Gutachter kommen zu dem Schluss, dass der 19-Jährige "mit einer sehr hohen Wahrscheinlichkeit" überlebt hätte, wäre er intensiv-medizinisch überwacht worden. Ein weiteres Gutachten wird empfohlen. Dennoch stellt die Staatsanwaltschaft Meiningen im Oktober 2003 das Verfahren ein. Rainer und Heike Finn sind erschüttert, wollen aber nicht aufgeben. Sie wenden sich an die Generalstaatsanwaltschaft, verlangen Akteneinsicht und fordern, das Verfahren wieder aufzunehmen. Sie haben Erfolg, denn auch der Thüringer Generalstaatsanwalt hält die Einstellung der Untersuchungen für übereilt. Daraufhin wird
im März dieses Jahres das strafrechtliche Ermittlungsverfahren wieder aufgenommen. In Auftrag gegeben ist damit auch ein weiteres Gutachten zum Geschehen an jenem 24. Juni 2002. Man erhofft sich weitere Aufschlüsse zu den Todesumständen. "Wir werden erst zur Ruhe kommen, wenn wir wissen, warum Christian starb", sagt Heike Finn. Nach dem mysteriösen Tod ihres Sohnes haben die Finns Kontakte zum "Privaten Netzwerk Medizingeschädigter" aufgebaut, können sich so mit anderen Betroffenen austauschen und gegenseitig helfen. Zugleich richtete das Ehepaar eine Internetseite www.christian-finn.de ein, die Informationen zu den seit zwei Jahren laufenden Ermittlungen und auch Links zu besagtem Netzwerk enthält.






Freies Wort vom 11.03.2004

Zum Thüringer Datenschutzbericht

Langsames Erwachen

Von Georg Grünewald
Hört, hört! Die Thüringer Datenschutzbeauftragte Silvia Liebaug hat die Zahl der datenschutzrechtlichen Prüfungen erhöht und will sie weiter ausbauen. Das ist die erfreuliche Nachricht bei der Vorstellung des jüngsten Datenschutzberichtes.
Aber mehr Kontrollen sind auch bitter nötig in einem Land, in dem inzwischen die meisten neueren Skandale mit Datenschutz-Problemen zu tun haben.
Pleiten, Pech und Pannen. Das spricht nicht für die Datenschutzbeauftragte. Zumal sie im Einzelfall zuweilen auch eine äußerst unglückliche Rolle spielte – vorsichtig ausgedrückt. Nur ein Stichwort: Videoüberwachung am Weimarer Theaterplatz. Da kommt es wohl nicht von ungefähr, wenn Liebaug allmählich um Schadensbegrenzung bemüht ist und sich neben den erhöhten Prüfzahlen immerhin halbwegs kritische Anmerkungen abringt.
Wie gesagt: halbwegs. Denn statt die Überprüfung des Polizeiaufgabengesetzes zu fordern, hätte sie auch direkt sagen können, dass oder ob sie es für verfassungswidrig hält. Und das Plus an Prüfungen allein macht die Behörde noch nicht zu einem wirkungsvollen Instrument des Datenschutzes. Liebaug und Co müssen die Belange der Bürger endlich offensiv vertreten. Auch einmal öffentlich etwas anprangern, anstatt intern Hinweise an die Behörden zu formulieren und es dem Zufall zu überlassen, ob die Sache bereinigt oder ignoriert wird.
Sie muss sich endlich als Anwalt der Bürger verstehen. Sie muss Aufklärung vorantreiben.
Und sie muss die Bürger unterstützen, selbst festzustellen, wo ihr Datenschutz mit Füßen getreten wird. Dann könnte sie im Freistaat auch die Rolle spielen, die sich andere Datenschutzbeauftragte in ihren Ländern erkämpft haben.






Zu viele Fragen - Thüringer Allgemeine vom 11. März 2004 - Eberhardt Pfeiffer

21 gravierende Verstöße gegen den Datenschutz listet der Bericht der Landesbeauftragten Silvia Liebaug für die vergangenen zwei Jahre auf.
Die spektakulären Fälle wie die Kennzeichenerfassung am Rennsteigtunnel sind längst öffentlich bekannt. Aber es gibt auch andere, mit denen sich die Behörde tag-täglich herumschlägt.
Silvia Liebaug sieht sich mit einem für sie besonders schweren Vorwurf konfrontiert. Sie verstoße gegen das Landes-Datenschutzgesetz, behauptet die Stadtverwaltung Suhl und verweigert seit Monaten Kontrollen zu einem etwas merkwürdigen Vorgang. Es geht um das Formular, das ein Rettungsarzt bei einem Unfall ausfüllt, und den zugehörigen Durchschlag. Nach Meinung der Erfurter Datenschützer muss der weiter behandelnden Klinik das Original des Formulars übergeben werden, in Suhl soll es aber nur die Kopie gewesen sein. Ob das so war, konnten die Mitarbeiter von Frau Liebaug bisher nicht klären. Suhls Oberbürgermeister Martin Kummer, nicht nur für den örtlichen Rettungsdienst zuständig, sondern auch ein Landsmann und CDU-Parteifreund der Zella-Mehliser Ex-Landrätin Liebaug, verweigert die Herausgabe der Akten. Es seien "sensible Patientendaten", die vor "fremdem Zugriff zu schützen" seien, heißt es im Suhler Rathaus. Deshalb hat Suhl vor dem Verwaltungsgericht Meiningen geklagt, wegen einer Datenschutz-Verletzung der Datenschützer.
Silvia Liebaug nennt diesen Streit "einen der gravierendsten Fälle" der vergangenen zwei Jahre, als habe es wirklich Gravierendes wie die Videoüberwachung in Weimar nicht gegeben. Aber die passive Rolle, die sie nicht nur dabei spielte, soll wohl möglichst schnell vergessen sein.

Der jüngste Datenschutzbericht, der gestern vorgestellt wurde, listet dennoch eine ganze Reihe ernster Verstöße auf...........

Vielleicht aus diesem Grunde ging sie gestern in die Offensive und forderte, nach dem jüngsten Karlsruher Urteil zum Großen Lauschangriff auch die Thüringer Gesetze über die Arbeit der Polizei und des Verfassungsschutzes "auf den Prüfstand" zu stellen. Eine für die Amtsinhaberin bemerkenswert scharfe Formulierung, die für die nächsten zwei Jahre reichen muss.
Dann kommt der nächste Datenschutzbericht.






Freies Wort, 11.März 2004 - von Eike Kellermann

INTERVIEW MIT SILVIA LIEBAUG 11.03.2004
„Juristisch kann ich nichts unternehmen“

Silvia Liebaug: „Ich nehme die Kontrollrechte wahr, da ist es egal, ob es um eine Gemeinde oder ein Ministerium geht.“

Die Thüringer Datenschutzbeauftragte Silvia Liebaug stellte am Mittwoch, 10. März 2004, ihren 5. Tätigkeitsbericht vor. Wir sprachen mit ihr über den mutmaßlichen Skandal im Suhler Rettungswesen, die Überwachung des Rennsteigtunnels und über ihr Bild in der Öffentlichkeit.
Frau Liebaug, in Ihrem Tätigkeitsbericht beanstanden sie 21Fälle, sieben mehr als im Vorjahr. Wird in Thüringen mehr gegen den Datenschutz verstoßen?
S. Liebaug:
Das kann man so nicht sagen. Vor sechs Jahren waren es 28 Fälle, vor vier Jahren auch 21 Fälle. Wir haben im zurückliegenden Zeitraum noch einmal die Kontrolltätigkeit verstärkt. Möglicherweise liegt es daran.

Als gravierendsten Fall nennen Sie in Ihrem aktuellen Bericht die Weigerung der Stadt Suhl, Datenschützer in Unterlagen des Rettungswesens Einsicht nehmen zu lassen. Was werden sie deshalb unternehmen?
S. Liebaug:
Ich halte es für unvertretbar, unser Kontrollrecht so einzuschränken. Wenn es andere Stellen in Thüringen auch so halten würden... Das ist mit dem Verfassungsauftrag des Datenschutzes als unabhängige Kontrollbehörde, die den Umgang mit personenbezogenen Daten kontrollieren soll, nicht vereinbar.

Was werden Sie tun?
S. Liebaug:
Ich habe meine Möglichkeiten ausgeschöpft. Juristisch kann ich nichts unternehmen. Ich habe die Hoffnung, dass jetzt das Parlament unterstützend tätig wird. Die entsprechenden Ausschüsse sollten die Thematik aufgreifen und initiativ werden.
Ist Ihnen ein solcher Fall schon einmal untergekommen?
S. Liebaug:
Das ist in dieser Form noch nicht vorgekommen.
Hohe Wellen schlugen in den zurückliegenden Monaten die Überwachung öffentlicher Plätze in Weimar und des Rennsteigtunnels. Der öffentliche Eindruck war, die Datenschutzbeauftragte wird erst aktiv, wenn das Kind im Brunnen liegt. Haben Sie ein Kommunikationsproblem?
S. Liebaug:
Nein. Wann man mit welchem Vorgang in die Öffentlichkeit geht, hängt immer vom konkreten Fall ab. Ich bin der Presse – trotz einiger für mich persönlich enttäuschender Bewertungen – dankbar, dass sie Datenschutzfragen aufgreift. Schließlich geht es um den Schutz der Betroffenenrechte. Die Anfragen der Bürger belegen, dass sie zunehmend mehr dazu wissen wollen.
Bei der Videoüberwachung in Weimar waren Sie nicht ausreichend informiert. Was soll sich ändern?
S. Liebaug:
In der Tat war ich nicht ausreichend informiert. Ich habe Unterlagen vom Innenministerium zu spät bekommen, deshalb konnte das Projekt auch anlaufen. Nachdem ich meine Bedenken deutlich gemacht habe, wurde es unverzüglich gestoppt.
Sind Sie mit dem Innenministerium unzufrieden?
S. Liebaug:
Vom Grundsatz nicht. Aber es gibt Beispiele, wo ich weder zeitnah noch umfassend unterrichtet wurde. Möglicherweise entstand so ein Eindruck von meiner Arbeit, der nur schwerlich wieder zu beheben ist.
Fällt es Ihnen schwer, dem Innenministerium auf die Füße zu treten?
S. Liebaug:
Überhaupt nicht. Die Kontrollrechte werden wahrgenommen, da ist es egal, ob es sich um eine Gemeinde oder um ein Ministerium handelt.
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Freies Wort, 11.März 2004 - von Georg Grünewald

DATENSCHUTZBERICHT
21 Beanstandungen im letzten Jahr in Thüringen

ERFURT – Das Thüringer Polizeiaufgabengesetz und das Verfassungsschutzgesetz des Landes müssen auf den Prüfstand. Zu dieser Auffassung ist die Thüringer Datenschutzbeauftragte Silvia Liebaug gelangt. Konkret müssten „Datenerhebungen in Wohnungen und nachrichtendienstliche Aktivitäten in Wohnungen“ überprüft werden, sagte Liebaug am Mittwoch in Erfurt anlässlich der Vorstellung des 5. Thüringer Datenschutzberichts.
Änderungen im Interesse des absolut geschützten Kernbereichs privater Lebensgestaltung und besonderer Vertrauensverhältnisse seien zu prüfen. Anlass dazu gebe das jüngste Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum großen Lauschangriff.
Bereits bei der Novellierung des Polizeiaufgabengesetzes im Jahr 2002 hatten die Thüringer Datenschützer einige Passagen kritisiert, wie aus dem Bericht hervorgeht. Unter anderem hatten sie Bedenken gegen Strukturermittlungen im Vorfeld angemeldet. Hier könne nicht ausgeschlossen werden, dass breit angelegte Ermittlungen zu Datenerhebungen über völlig Unbeteiligte führen.
Insgesamt weist der Datenschutzbericht für die Jahre 2002 und 2003 genau 21 Beanstandungen auf. Die häufigsten bezögen sich auf den technischen Umgang mit Daten und Verträge zur Auftragsdatenverarbeitung. Liebaug betonte, dass die Behörde als Auftraggeber voll verantwortlich bleibe, auch wenn sie sich externer Auftraggeber bedient. Damit widersprach sie indirekt dem Innenministerium, das in der Rennsteigtunnel-Affäre die Verantwortung für die Datenerfassung von sich gewiesen hatte, weil sie von einer Privatfirma erfolgt sei.

Den gravierendsten Datenschutz-Verstoß sieht Liebaug im Umgang mit Notarzt-Protokollen im Rettungsdienstbereich Suhl. Die Stadt habe den Datenschützern Unterlagen vorenthalten. Zurzeit sei hier ein Rechtsstreit anhängig.

Die Zunahme der Beanstandungen gegenüber dem vorherigen Datenschutzbericht führt Liebaug auf verstärkte Kontrollen zurück.
Die Kennzeichenüberwachung, wie sie jetzt bundesweit diskutiert wird, hält Liebaug für möglich, wenn sichergestellt sei, dass die Daten wirklich nur so kurz gespeichert und unverzüglich gelöscht werden. Allerdings müsse dafür der rechtliche Rahmen geschaffen werden. Im Moment seien die im Freistaat nicht gegeben.
Bestätigt durch den Datenschutzbericht sehen sich die Oppositionsparteien. Innenminister Trautvetter messe den Belangen des Datenschutzes nicht die erforderliche Bedeutung bei, kritisierte Volker Schemmel, der justizpolitische Sprecher der SPD-Fraktion. Roland Hahnemann, innenpolitischer Sprecher der PDS-Fraktion, forderte alle Sicherheitsgesetze des Landes vor dem Maßstab des Karlsruher Urteils zu überprüfen.






*Freies Wort vom 03.03.2004 von Georg Vater

STREIT UM AKTENEINSICHT
Gericht soll Rechtsauffassung klären Stadt reicht Klage gegen das Land ein.

Mit einer Klage gegen den Freistaat Thüringen hat die Stadt Suhl auf die Forderung der Landesbeauftragten für den Datenschutz reagiert, nach offenbar festgestellten Unregelmäßigkeiten bei der Anfertigung von Notarztprotokollen Einsicht in Unterlagen und Patientendaten zu erlangen.
SUHL – Das bestätigte gestern Pressesprecher Holger Uske Freies Wort auf Anfrage. Zu weiteren Stellungnahmen war die Stadtverwaltung nicht bereit, da es sich um ein laufendes Verfahren am Verwaltungsgericht
Meiningen handele und das Ergebnis abzuwarten bleibe. Über eine Petition von Elmar Kordes im Fall seiner 1997 nach einer Totgeburt in die Suhler Notaufnahme eingelieferten und im Oktober 2000 verstorbenen Frau Anja war die Datenschutzbehörde nach Auskunft des zuständigen Mitarbeiters Rene Junkermann auf den Umstand aufmerksam geworden, dass in Suhl bei der Notarzteinsatzprotokollierung nicht in jedem Falle nach den gesetzlichen Vorgaben verfahren wird.
Praxis beanstandet
Die Behörde beanstandete, dass in Suhl generell nicht das Original der Notarzteinsatzprotokolle mit dem Patienten der behandelnden Einrichtung übergeben wird, sondern eine Kopie. Diese Praxis, so die Datenschützer, widerspreche nicht nur einem Rundschreiben des Thüringer Innenministeriums aus dem Jahr 1994, sondern könne auch für die Weiterbehandlung des Patienten durch die aufnehmende Klinik von nicht
unerheblicher Bedeutung sein. Im konkreten Fall, so die Behörde, hätten Daten eines medizinischen Befundes auf dem Original und der im Durchschriftverfahren erstellten Kopie nicht vollkommen übereingestimmt.
Darüber hinaus seien auf dem Original nachträglich Eintragungen vorgenommen worden, die auf der Kopie nicht erschienen.
Verfahren eingeleitet
Bislang, so Rene Junkermann, konnte die Behörde ihre Kontrolle allerdings nicht abschließen, da die Stadt bislang die nach Paragraph 37 Absatz 2 des Thüringer Datenschutzgesetzes geforderte Einsicht in vorhandene Unterlagen verweigere. Die Kommunalaufsicht – namentlich das Landesverwaltungsamt – habe sich in dieser Frage eindeutig zu Gunsten der Datenschutzbehörde positioniert und dieses Verhalten beanstandet.
Darüber hinaus sei ein kommunalaufsichtliches Verfahren eingeleitet worden.
Da sowohl die Datenschutzbehörde als auch die Stadt auf ihrer Rechtsauffassung beharren, wird nun das Verwaltungsgericht klären, ob der Forderung nach Einsichtnahme in die Unterlagen entsprochen werden
kann. Wie Junkermann weiter sagte, werde diese Thematik auch im Tätigkeitsbericht der Datenschutzbeauftragten Silvia Liebaug eine Rolle spielen, der am Mittwoch kommender Woche vorgelegt wird.
Internet:
http://www.freies-wort.de/nachrichten/regional/suhl/resyart.phtm?id=596501





2003

2005

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